
Jerome Kantner – Barber auf Rockstar-Niveau. Der Weltmeister im Interview mit der SWAY MAG Redaktion.
Seit Jahren schon ist er Fan von Carlos Kella und treuer Kunde des Hauses, bestellt regelmäßig Kalender, Bücher und Magazine aus dem SWAY Books Verlag, die auch in seinem Salon in Mainz ausliegen. Über einen Netzfund, auf dem der Carlos- Kella-Sticker auf Jeromes Barber-Koffer zu sehen ist, werden wir darauf aufmerksam, was wir da für einen interessanten Stammkunden haben, und nehmen gegenseitigen Kontakt auf. Für ein persönliches Interview mit Fotoshooting reist Jerome Kantner gerne von Mainz zu uns in die Hansestadt und erzählt uns mehr über die Entwicklung seiner steilen Karriere.
Geboren im Jahr 1969, startet Jerome Kantner 1985 im Alter von 16 Jahren seine Friseurlehre. Das erste Jahr im Damenfach, im zweiten Jahr wechselt er in das Herrenfach. 1987, im dritten Lehrjahr, leitet er schon seinen eigenen Herrenbereich im Salon. Nach der Gesellenprüfung arbeitet er in verschiedenen Salons im Rhein-Main-Gebiet. Bereits in dieser Zeit fängt er an, auszubilden und zu trainieren, und es wächst der Wunsch, sich selbstständig zu machen. Den erfüllt er sich im Jahr 2007 mit „Fön-ix artCoiffeur & Barber J.“, seinem eigenen Salon in Mainz, den er bis heute betreibt.

Jerome, woher kommt eigentlich der allgegenwärtige Barber-Trend?
„Den Beruf des Barbiers gab es ja eigentlich schon immer. Es wurde bei uns nur eine Zeit lang ausgesetzt. In den südlichen Ländern waren die Barbiere nie weg, dort gehört es seit jeher zur Kultur. Uns wurde vor einigen Jahrzehnten mehr oder weniger auch durch die Friseurindustrie diktiert, dass nur noch die weibliche Kundschaft bereit ist, beim Friseur etwas mehr Geld zu lassen. Rasierverbote mit der Klinge, ausgelöst durch die Aids-Welle in den 90ern, taten ihr Übriges und die reinen Damen- und Herrensalons wurden durch Unisex-Läden ersetzt. Ähnlich verhielt es sich ja auch im Schneiderhandwerk.“
Wie und wann kam dann die Wende?
„Die Wende kam im Jahr 2013, ausgelöst u. a. auch durch Social Media. Da waren coole tätowierte, bärtige Typen wie Schorem aus Rotterdam, die als Altpunks den Barber-Trend vorlebten und das Thema in der Szene etablierten. Im Jahr 2014 steigerte sich das dann noch und die ersten internationalen Barber-Messen kamen auf. Das hat dann wohl den Hype sowohl bei den älteren als auch bei den jüngeren Herren ausgelöst“
Warum überhaupt dieser ganze Hype rund um Bartpflege?
„Der Bart ist dem Mann heilig. Der Bart wird frei Hand geschnitten und das kann nicht jeder. Wenn du einen Bart verschneidest, gleicht das einem „Todesurteil“, da es je nach Typ Jahre dauern kann, bis ein paar Zentimeter wieder nachgewachsen sind. Viele denken ja, dass man als Barber ein tätowierter Rockabilly sein muss. Aber das stimmt nicht. Barber sein heißt mehr als nur Männer zu bedienen. Durch den „Barber-Hype“ haben die Männer wieder Lust bekommen, länger als 20 Minuten beim Friseur zu sitzen. Ein Kunde, bei dem ich einen Haarschnitt mit Bartpflege durchführe, sitzt mindestens 1 bis 1,5 Stunden bei mir im Salon auf dem Stuhl. Das ist ein Wohlfühlerlebnis für Männer – vergleichbar mit der Sitzung bei der Kosmetik für die Damen.“

Wie kamst du zu den Barber-Schulungen und -Shows?
„Ich arbeite seit Anfang an in meinem Salon mit American Crew, die nicht nur Weltmarktführer für Haarpflegeprodukte im Herrenbereich, sondern immer auch trendgebend sind. In Kooperation mit Fotograf David Raccuglia betreiben sie die weltweit größten Akademien. Mein Salon war von Anfang an auch Schulungs-Salon und ich habe mich immer schon an den Meisterschaften beteiligt. Die dort gesetzten Vorgaben, die es mir jedoch nicht ermöglichten, meinen eigenen Stil umzusetzen, haben mich dann jedoch schnell gelangweilt. Als die Challenges von American Crew das „Go“ für die internationale Umsetzung und 2013 auch für Deutschland erhielten, habe ich direkt mitgemacht.“
Wie lief das dann ab?
„Ich bin schon sehr viele Jahre Rockabilly. Den Bart habe ich zwar erst seit einem Jahr aber wenigstens stimmte die Frisur. Rockabilly halt: langes Deckhaar und kurze Seiten. Ich wollte den klassichen Mann mit meinem Rockabilly-Style verbinden. Mit Dominik fand ich das perfekte Model dafür, und mir war klar, dass ich dieses Thema umsetzen würde, welches zu dieser Zeit noch recht außergewöhnlich und mutig war. Damit habe ich dann direkt die erste Deutsche Meisterschaft gewonnen. Im Anschluss wurde ich nach Lissabon zum internationalen Finale eingeladen. Hier lautete die Aufgabenstellung „Kreiere deinen eigenen Look und halte ihn in einem Bild fest“. Ich musste live an einem Model arbeiten, das mir per Losverfahren zugewiesen wurde, und hatte 30 Minuten Zeit. Der Fotograf für das Motiv, das dann auf dem Cover der deutschen und der US-Ausgabe des Estetica Magazine abgebildet wurde, war David Raccuglia, der übrigens damals auch schon die Jungs von Schorem filmisch begleitet und gefeatured hat. Drei Tage später erfuhr ich, dass ich den Weltmeistertitel gewonnen habe und wurde auf einer Bühne mit 3.000 Friseuren im Publikum gekürt. Das war schon sehr aufregend!
Mittlerweile wirst du kontinuierlich für Shows gebucht und dann dort wie ein Rockstar gefeiert. Was macht das mit dir?
„Ja, man kann es inzwischen wirklich mit einem Rockstar-Leben vergleichen. Ich bin viel auf Reisen, arbeite national und international unter meinem eigenen Namen „Barber J.“. Dazu bucht mich American Crew als „Allstar“ für weltweite Shows und Master-Class-Schulungen. Das sind Shows mit Models, die vorher extra dafür gebucht werden, wobei ich auch ein Mitspracherecht habe. Da ist vom durchtrainierten jungen Mann bis zum älteren Herrn mit weißem Bart und Brille alles dabei. Diese Vielfalt ist auch typisch für American Crew. Für die Master-Class-Shows arbeite ich eine halbe Stunde bis Stunde direkt auf der Bühne und erkläre parallel, was ich tue, was dann auf einer Videoleinwand ins Publikum übertragen wird. In anderen Fällen laufen die Models auch einfach nur durch und präsentieren das Ergebnis. Im vergangenen Jahr trat ich bei der Barber-Connect in Moskau als Opener auf. Es war dort die erste Veranstaltung dieser Art und niemand wusste vorab, wie das so genau ablaufen würde. Ich stand auf einer riesigen Bühne zusammen mit einen Dolmetscher vom Fach neben mir, der – auch wenn ich mal nichts gesagt habe – eigenständig erklären konnte, was gerade passiert. Dazu zwei Kameras (eine von oben), zwei riesige Leinwände. In der ersten Reihe saßen meine Freunde, Kollegen und Partner mit regungslosen Gesichtern, während ich die schwersten freihändigen Haarschnitte durchführte. Da war ich schon ganz schön nervös … Nach der Show wollten alle Autogramme und Fotos von mir haben. Auf die Frage hin, warum sie denn nicht wenigstens mal wohlwollend genickt hätten, antworteten die Kollegen, sie seien so fasziniert gewesen.“

Wie oft trifft man dich noch in deinem eigenen Salon und wie läuft das dort, wenn du nicht da bist?
Ich versuche nach wie vor, so oft wie möglich in meinem eigenen Laden zu sein. Das ist meist drei bis vier Tage die Woche der Fall. Manchmal bin ich auch zwei Wochen am Stück unterwegs. Aber ich habe ein über die Jahre gut eingespieltes Team von drei Festangestellten und einer Teilzeitkraft, von denen jeder sein Spezialgebiet hat. Auf die kann ich mich auch während meiner Abwesenheit verlassen.
Hast du für deinen Salon eine Philosophie und/oder ein Alleinstellungsmerkmal?
„Meine bzw. unsere Unternehmensphilosophie ist, dass sich jeder bei uns sofort wohlfühlen und entspannen können soll, so wie in einem Wohnzimmer. Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass es im Raum Mainz tatsächlich seit Jahren keine reinen Herrenfriseure mehr gibt.“
Was ist oder war dein persönliches berufliches Highlight bisher?
„Ich bin kürzlich „All Star“ geworden. Davon gibt es knapp über 40 Trainer weltweit von American Crew, die auch eigene Shows veranstalten. Bei einer Schulung von American Crew ist es Pflicht, dass ein „All Star“ anwesend ist. Ich war im Trainerteam für Deutschland und habe in Barcelona meine Prüfung mit Zertifikat absolviert. Man kann sagen, dass ich dadurch ganz oben angekommen bin. Natürlich muss ich mich mit diesem Status auch an neue Spielregeln halten, aber ich bin sehr stolz darauf.“
Immer im Koffer, wenn Jerome auf Reisen geht:
ein Rasiermesser ein Kurzhaartrimmer eine Naturhaarbürste für die Bartpflege Je nach Bart-Typ empfiehlt es sich, das Barthaaar mit einer Rundbürste zu fönen.
Bleibt der Trend mit den Vollbärten?
„Man kann schon jetzt beobachten, dass die Bärte wieder kürzer und die Haarschnitte länger werden, also die Seiten nicht mehr ganz kurz rasiert sind. Aber das Bewusstsein der Männer, zu Herrenfriseuren zu gehen, wird bleiben. Sie haben wieder Lust auf Genuss und sich Zeit für sich selbst und ein gepflegtes Äußeres zu nehmen. Der Mann ist auch wieder bereit, dafür etwas mehr Geld auszugeben.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Hype um Barbiere?
„Der ganze Hype, der ja der Szene und den Friseuren ziemlich gut getan hat, wird zwangsläufig auch wieder nach unten gehen. Diejenigen, die gut sind und sich einen Namen gemacht haben, werden bleiben. Andere, die nicht vom Fach kommen, wird es wohl wieder dahinraffen. Der Trend geht auch wieder weg von Kutte und Bikerstil hin zu einem edlen und cleanen Ambiente. Fön-ix ist nie Barber-Shop, sondern immer ein Herren-Salon gewesen. Ich verstehe mich auch nach wie vor als Herrenfriseur. Den Spitznamen Barber J. haben mir meine Freunde vor Jahren schon gegeben. Ich mache das alles ja auch nicht nur, weil es gerade in ist, sondern weil ich es lebe und es schon immer mein Traumberuf war. Ich denke, es ist auch wichtig zu erkennen, dass unser Hauptklientel nicht der 20-30-jährige Hipster ist, sondern vielmehr der klassische Mann ab 30, der seinen Stil gefunden hat. Den wird es auch immer geben, da bin ich mir sicher.
Jerome, vielen Dank für Deinen Besuch und das Gespräch!

Fotos: Carlos Kella
JEROME KANTNER
Fön-ix artCoiffeur & Barber J.
Heuerstraße 32, 55129 Mainz
Tel: 01631/ 4982919
www.foen-ix.de | www.barberj.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Donnerstag 9:00 – 12:00 Uhr & 13:00 – 18:00 Uhr
Freitags 9:00 – 12:00 Uhr & 13:00 – 20:00 Uhr
Samstags 9:00 – 13:00 Uhr
Montags geschlossen